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Interview mit Dr. Christian Engel, Zukunftsreferent der KZV BW

Die KZV Baden-Württemberg widmet sich aktiv dem Thema „Zukunftsmanagement“. Gemeint ist eine aktive Befassung mit zentralen Zukunftsfragen. Dr. Christian Engel ist einer von zwei ehrenamtlichen Zukunftsreferenten der KZV Baden-Württemberg, die den Vorstand in diesen Fragen beraten und eigene Perspektiven einbringen sollen.
Dr. Christian Engel ist niedergelassener Zahnarzt in Karlsruhe und Mitglied der Vertreterversammlung der KZV Baden-Württemberg.

Herr Dr. Engel, warum gibt es in der KZV Baden-Württemberg die Funktion der Zukunftsreferenten?

In den nächsten Jahren werden sich sowohl die Form der zahnärztlichen Berufsausübung als auch die Zahnärzteschaft an sich massiv ändern. Die Aufgabe der Zukunftsreferenten ist es, anhand der gesammelten Daten und Trends ein Zukunftsbild der Zahnärzteschaft im Jahre 2030 zu entwerfen, um diesen Prozess aktiv mitgestalten zu können.

„Zukunftsbild Zahnärzteschaft BW 2030“ ist das Stichwort. Was unterscheidet die Zahnärzteschaft 2030 in Baden-Württemberg von der Zahnärzteschaft 2018?

Momentan sind etwa 68% der Zahnärzte selbstständig. Man kann damit rechnen, dass dies im Jahr 2030 nur noch knapp die Hälfte der Zahnärzte sein werden. Die Anzahl an Zahnärztinnen wird stark zunehmen, während die Anzahl männlicher Kollegen deutlich abnimmt. Teilzeit-Arbeitsmodelle werden eine entscheidende Rolle spielen, um zukünftig Familie und Beruf besser vereinen zu können. Durch die rasante Zunahme an zahnmedizinischen Versorgungszentren kommt ein weiterer großer Faktor ins Spiel, der die etablierten Praxismodelle vor große Herausforderungen stellen wird.

Veränderung kann auch neue Chancen bringen. Welche Chancen sehen Sie durch den Wandel innerhalb der Zahnärzteschaft?

Aus der Analyse der Statistiken der vergangenen Jahre lässt sich schließen, dass die Berufsmodelle der älteren Generation – insbesondere die des selbstständigen Zahnarztes in der Einzelpraxis – in Zukunft nicht mehr ein Garant für Erfolg sein werden. Dies haben viele junge Kolleginnen und Kollegen erkannt und suchen nach neuen Formen, ihren Beruf erfolgreich ein Leben lang ausüben zu können. Insofern sehe ich den Strukturwandel innerhalb der Zahnärzteschaft auch als eine Form der Adaptation an die sich verändernden Rahmenbedingen.

Der Strukturwandel bei der zahnärztlichen Versorgung geht mit einem Wandel des Berufsbildes offenbar Hand in Hand. Welche Herausforderungen muss die zahnärztliche Selbstverwaltung in den kommenden Jahren angehen, damit die Zahnärztinnen und Zahnärzte von morgen gute Arbeitsbedingungen vorfinden?

Das größte Risiko für die Selbstverwaltung ist die Bedrohung durch flächendeckend etablierte medizinische Versorgungszentren, die sich nicht mehr in den Händen von Zahnärzten, sondern von Fremdinvestoren befinden. Dies wird insbesondere für junge Kollegen, die sich in den vergangenen Jahren in eigener Praxis niedergelassen haben, eine dreifache Belastung werden, denn neben Patienten konkurrieren diese Zentren auch um die besten Standorte und um die immer weniger zur Verfügung stehenden qualifizierten Mitarbeiter. Ein einzelner Zahnarzt in seiner Praxis kann dieser Situation nur wenig entgegensetzen. Der Berufsstand muss also enger zusammenrücken und gemeinsam auf diese Herausforderung reagieren.

Und jetzt ganz konkret: Was ist Ihr wichtigster Ratschlag für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich in den ersten Jahren ihres Berufslebens Kinder wünschen?

Entscheidend ist neben der Familienplanung eine solide Finanz- und Lebensplanung, die sich nicht nur kurzfristig über die nächsten Jahre, sondern möglichst über das gesamte Berufsleben erstreckt. Die jungen Kolleginnen und Kollegen müssen sich zu Beginn ihrer Karriere bereits schon mit der Frage beschäftigen, wie sie sich ihren künftigen Lebensweg vorstellen.

Praxis, Familie, mehr Zeit für eigene Interessen – bleibt da dann überhaupt noch Zeit für standespolitisches Engagement?

Gerade in Zeiten starker Veränderungen heißt Zukunft gestalten, dass die Betroffenen – also die jüngere Generation – aktiv werden müssen. Wer möchte, dass seine eigenen Prinzipien angemessen vertreten werden, muss sich auch entsprechend standespolitisch informieren und engagieren. Natürlich ist es schwierig, hierfür Zeit einzuplanen, aber dazu gibt es keine Alternative.

 Wie können Sie gerade die Gruppen, die bislang stark unterrepräsentiert in den Gremien sind, für die Standespolitik motivieren?

Die angesprochenen Gruppen müssen einen konkreten Nutzen für sich erkennen, wenn sie sich engagieren sollen. Diesen Nutzen muss man Ihnen in der Standespolitik verdeutlichen.

Wie schätzen Sie das Problembewusstsein und die Offenheit der älteren Kolleginnen und Kollegen zu den anstehenden Veränderungen ein und was können die Älteren möglicherweise von den Jüngeren lernen?

Die meisten bisherigen Impulse zu Veränderungen kommen gerade von den älteren Kollegen, die erkannt haben, dass dringend gehandelt werden muss. Die älteren Kollegen scheinen zu wissen, dass das Träumen von der „guten alten Zeit“ selten geholfen hat, die konkreten Zukunftsfragen zu beantworten.

Vielen Dank für das Gespräch!