
Ein Stammtisch für Zahnärztinnen: Interview mit Dr. Claudia Obijou-Kohlhas
Vor einem Jahr haben Sie einen Zahnärztinnenstammtisch gegründet: Wie ist es gelaufen?
Der erste Zahnärztinnenstammtisch in Baden-Baden war ein voller Erfolg. Es kamen beinahe 20 Kolleginnen aus der Region, die in eigenen Praxen, im Angestelltenverhältnis und im Gesundheitsamt tätig sind. Die meisten von ihnen waren neugierig, manche auch skeptisch und wieder andere freuten sich auf ein längst überfälliges Treffen unter Kolleginnen.
Was war der Anlass zur Gründung Ihres Netzwerks?
Der Grund war, dass sich einige Zahnärztinnen von Informationen abgehängt und auch in manchen Bereichen unverstanden fühlten. Die Zahnärztinnen wünschten sich häufiger offene Diskussionen, genauere Informationen und mehr Verständnis für die nicht nur frauenspezifischen Probleme in der eigenen Praxis.
Wie oft treffen Sie sich? In Zeiten von Corona auch digital?
Bisher haben wir uns zwei Mal getroffen. Geplant ist es, dass wir uns in jedem Quartal einmal sehen. Das kommende Treffen wird online stattfinden.
Wie sind die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen? Wie ist die Nachfrage?
Die Rückmeldungen der Zahnärztinnen waren durchweg positiv. Die Nachfrage ist wechselhaft. Die meisten Frauen können nur kommen, wenn sie eine Betreuung für ihre Kinder haben. Das ist zeitweise schwierig.
Wie läuft das ab: Gibt es jedes Mal ein Thema, jemand referiert oder ist es ein lockeres Zusammenkommen?
Es gibt immer ein bestimmtes Thema und wenn möglich werden Fachleute und Gastreferent*innen dazu eingeladen. Anschließend wird munter diskutiert.
Geplant sind auch gemeinsame Firmenbesuche und vielleicht auch mal ein Wochenendtrip zu einer Weinprobe.
Was sind die Themen? Worüber tauschen Sie sich aus?
Die Themen sind aktueller Art, z.B. wie finde ich am besten eine*n Auszubildende*n, was mache ich bei einer Praxisbegehung oder wo kaufe ich was am günstigsten. Natürlich geht es auch um frauenspezifische Themen, wie Kinderbetreuung, Altersabsicherung oder Selbständigkeit und Schwangerschaft.
Was sind die Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist es, die Kinder durch die Schule zu bringen und gleichzeitig als Einzelunternehmerin eine Praxis zu führen. Der steigende bürokratische Aufwand und die strengen Richtlinien bei gleichzeitigem Personalmangel sind kräftezehrend. Viele Kolleginnen sitzen auch am Wochenende und abends an ihren PCs und erledigen noch den notwendigen Papierkram.
Wie machen Sie auf Ihr Netzwerk aufmerksam? Online, Mund-Zu-Mund-Propaganda?
Mit einem ersten Rundschreiben an alle Zahnärztinnen in der Region haben wir begonnen. Mittlerweile haben sich weitere Kolleginnen durch Mund-Zu-Mund-Propaganda angeschlossen.
An wen können sich interessierte Kolleginnen wenden, wenn sie partizipieren wollen?
Interessierte Kolleginnen dürfen sich gerne telefonisch oder per Mail direkt an mich wenden. Sie werden dann zum nächsten Treffen eingeladen.
Wie viele Zahnärzt*innen gehören bereits zu Ihrem Netzwerk? Kommen sie eher aus dem städtischen oder ländlichen Raum?
In unserem Netzwerk sind circa 40 Zahnärztinnen aus Bühl, Baden-Baden und Rastatt und dem Murgtal. Das ist eher eine ländliche Region.
Wenn der Stammtisch Forderungen an die (Standes-)Politik formulieren müsste, welche wären das?
Ganz klar: Sofortige Abschaffung des zahnärztlichen Notdienstes durch Schaffung einer Zentralen Notdienststelle. Bessere finanzielle Unterstützung der selbstständigen Zahnärztinnen während der Schwangerschaft und im Krankheitsfall. Bessere Kinderbetreuungsangebote für Kleinkinder und mehr Ganztagesschulen. Weniger Bürokratie. Gezieltere Gegensteuerung gegen den Fachkräftemangel.
Mehr Marketing für ein besseres Image der Zahnärzt*innen. Bessere Bezahlung von geistiger Arbeit wie Beratungen, Besprechungen, Aufklärungen von Patient*innen sowie Kinder-und Altenbehandlungen. Mehr betriebswirtschaftliche Seminare über Personalführung, Praxismanagement. Besseres Netzwerk bei der Gründung von Zweierpraxen.
Was ist mit den männlichen Kollegen? Wie nehmen die Ihr Angebot wahr?
Die männlichen Kollegen möchten gerne mitmachen und verstehen häufig nicht, warum Frauen unter sich sein wollen. Sie sind zu den Treffen höchstens als Referenten eingeladen, aber nicht als Teilnehmer.
Welche Erfahrungen machen Zahnärztinnen, die ihre männlichen Kollegen nicht machen?
Zahnärztinnen fühlen sich häufig unsicherer in den nächtlichen Notdiensten als ihre männlichen Kollegen.
Wenn in der Praxis Reparaturen anfallen und die Computer nicht laufen, dann sind sie in der Regel auf fremde Hilfe angewiesen. Männer können das ein oder andere auch mal schnell selbst in Ordnung bringen.
Außerdem haben Zahnärztinnen meistens deutlich weniger Zeit, um die seitenlangen Richtlinien oder die Stapel an Fachzeitschriften zu lesen, wenn sie gleichzeitig einen Haushalt mit Kindern führen müssen. Zahnärztinnen müssen immer wieder im Kopf umschalten zwischen Beruf und Mama-Sein.
Dafür ist die Stimmung in reinen Frauenpraxen durchaus sehr gut und es wird trotz der anspruchsvollen Arbeit viel gelacht.
Und das ist ja das wichtigste: Spaß am Beruf und Erfolg durch Selbständigkeit.
Vielen Dank für das nette Interview!
Sie interessieren sich für den Stammtisch? Gerne können Sie Dr. Claudia Obijou-Kohlhas unter den folgenden Kontaktdaten erreichen:
claudia@dr-kohlhas.de
Telefon: 07221-290129